MÜCKES MIKRO-MEDIZIN "Atavismen"
Shownotes
Eine fellartige Behaarung, zusätzliche Brustwarzen oder Wale mit Hinterbeinen. Genetische Rückschläge dieser Art - Atavismen genannt - treten zwar selten auf, sind aber lebende Beweise für die Evolutionstheorie. Wie es zu diesen Besonderheiten kommt und über welche anatomischen Special-Features sie selbst verfügen, klären Daniel und Martin in dieser langersehnten neuen Folge von "Mückes Mikro-Medizin.
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00:00:01: Merkes Mikromedizin, der Audiosnake
00:00:04: der Schlaumacht.
00:00:06: Eine Produktion von DVR in Zusammenarbeit mit Takeda.
00:00:10: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der ersten neuen Folge nach der langen Pause.
00:00:18: Ihr könnt euch da draußen gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue, endlich wieder mit meinem Freund und medizinischen Mentor Martin Möckel zusammenzusetzen.
00:00:27: Hallo, lieber Martin.
00:00:28: Hallo,
00:00:28: lieber Daniel.
00:00:29: Was hättest
00:00:29: du von der Evolution?
00:00:31: War so ganz platt gefragt.
00:00:32: Eine gute Sache.
00:00:35: Heutzutage, wenn man sich so die Nachrichten anschaut und sich so manchen politischen Akteur auf der Weltbühne anschaut, könnte man ja meinen, dass die Evolution gerade auch gerne mal den einen oder anderen Schritt zurückmacht, oder?
00:00:47: Oder Schritte...
00:00:48: In die falsche Richtung.
00:00:49: In
00:00:49: die falsche Richtung genommen hat.
00:00:51: Das
00:00:51: hat natürlich auch wirklich, das ist die Überleitung natürlich zu einem, wie ich finde, sehr, sehr spannenden Thema, die Überschrift, Atta-Wismen.
00:00:59: Da fragt der ein oder andere dann, was Atta war?
00:01:02: Ist das nicht
00:01:03: dieses Scheuermilch-Atta?
00:01:04: Nein, aber vielleicht hat der ein oder andere da draußen ja schon mal gehört davon, dass es manchmal Babys gibt, die mit einem kleinen... So ein Fortsatz, der an einem Schwanz von einem kleinen Äffchen erinnert geboren wird.
00:01:16: Oder dass Menschen eine besonders Dichte Körperbehaarung haben, die auch an vielleicht unsere Vorfahren aus der Steinzeit erinnern.
00:01:26: Klingt jetzt erstmal so ein bisschen nach B-Movie ist, aber tatsächlich wissenschaftlich verbirgt.
00:01:32: Wir sprechen heute über das, wie ich finde, sehr faszinierende Phänomen, Atavismen.
00:01:38: ein Phänomen aus der Evolutionsbiologie.
00:01:41: Genau, und dann muss man ja erst mal aufklären.
00:01:43: Genau, wir starten direkt ganz hart rein.
00:01:46: Was sind Atavismen?
00:01:47: Was steckt hinter diesem Begriff?
00:01:49: Also, Atavismen sind sogenannte Rückfälle in alte evolutionäre Entwicklungsstufen.
00:01:56: Also es handelt sich um Merkmale, die eigentlich längst im Laufe der Evolution verschwunden sind, aber plötzlich wieder auftreten.
00:02:03: Beispiele sind ein Steißschwanz beim Neugeborenen beispielsweise.
00:02:08: Das war das, was ich gerade meinte.
00:02:10: Dafür gibt es einen eigenen Begriff Steißschwanz.
00:02:12: Ich habe da so ungedruckt, zwar nicht genau, was du dir das heißt.
00:02:15: Oder die zusätzliche Brustwarze oder Brustwarzen.
00:02:19: Also die Politilie.
00:02:20: Weißt du, dass es einen sehr berühmten Bond-Bösewicht gab, der unter Politilie gelitten hat?
00:02:26: Nee.
00:02:26: Jetzt kommt die Fachfrage hier, James Bond.
00:02:30: Das war der Film... Der Mann mit dem goldenen Colt Skaramanga.
00:02:35: Okay, warum haben Sie das nicht genannt?
00:02:37: Der Mann mit der goldenen... Mit dem
00:02:39: goldenen Nippel.
00:02:42: Was denn noch?
00:02:42: Wir haben gerade auch über die starke Körperbehaarung gesprochen.
00:02:46: Genau.
00:02:46: Gibt es dafür auch ein Fachbegriff?
00:02:48: Hypertrichose.
00:02:50: Es gibt tatsächlich so Fotos und das sind ja teilweise auch wirklich sehr tragische Fälle.
00:02:55: Wir haben darüber ja auch schon mal in unserem... Buch unglaublich krank berichtet.
00:03:01: Dass da sich ja glücklicherweise auch, wenn es keine Menschen immer wieder geben würde, die dann Wolfsmensch oder so sagen.
00:03:07: Genau, das war ja bei den Schaustellern dann.
00:03:09: Genau,
00:03:09: diese Jahrmarktattraktion.
00:03:11: Häufig ein Thema gewesen auf dem Jahrmarkt.
00:03:13: Das gibt es noch.
00:03:14: Lass mich mal überlegen.
00:03:15: Funktionierende dritte Augenlieder.
00:03:18: So eine sogenannte Nickhaut bei Tieren.
00:03:21: Heier
00:03:21: haben das, glaube ich, ne?
00:03:23: Ja.
00:03:23: Die können das, glaube ich, so, wenn sie angreifen, zum Beispiel weiße Heier, das ist ganz... noch gruseliger aus als die Asien aussehen, wenn sie angreifen.
00:03:31: Dann klappt sich, glaube ich, so eine Nickhaut vor das Auge, um das Auge zu schützen.
00:03:34: Ja, und ich meine, das ist ja das, was bei Attavismen, also wie entstehen die?
00:03:39: Also wenn quasi uralte genetische Informationen reaktiviert werden, eigentlich abgeschaltet sind, also wie quasi vergessene Dateien auf deiner Festplatte.
00:03:49: Wie
00:03:49: entstehen denn diese evolutionsbiologischen Attabes von Martin?
00:03:52: Also jeder Mensch trägt in seinen Geninformationen aus Millionenjahren Evolution.
00:03:59: Und viele dieser Gene sind stillgelegt, weil sie nicht mehr gebraucht werden.
00:04:04: Aber durch Mutation oder Fehlregulation können solche Gene dann plötzlich wieder aktiviert oder reaktiviert werden.
00:04:12: Und Attavismen entstehen meist durch zum Beispiel Genmutation oder durch fehlerhafte Genregulation in der Embryonalentwicklung.
00:04:24: Und dabei kommt es dann zur Ausprägung von Merkmalen, die eigentlich verloren gegangen sind und wieder plötzlich.
00:04:32: Da sind.
00:04:32: Jetzt haben wir ja gerade auch schon drüber gesprochen, welche bekannten Beispiele für Atavismen es gibt.
00:04:37: Das wäre nämlich meine zweite Frage.
00:04:38: Du hattest diesen Schwanz beim Menschen, diesen Steiß.
00:04:43: Steißschwanz.
00:04:44: Alle Leute, die jetzt dünnig grinsen, knifft euch das.
00:04:48: Also wir reden hier wirklich von einem Ansatz von einem Schwanz wie bei einem Tier.
00:04:53: Menschen sind ja auch Tiere.
00:04:55: Tiere sollte man nicht vergessen.
00:04:56: Das ist selten aber möglich.
00:04:59: Etwa hundert dokumentierte.
00:05:00: Genau ein
00:05:00: paar hundert dokumentierte Fälle weltweit.
00:05:03: Dann diese Polyteli, diese zusätzlichen Brustwarzen oder Zitzen, wenn man im Säugetier Kontext bleibt.
00:05:13: Genau, also viele Menschen tragen sogenannte Milchleisten.
00:05:17: Also das sind Reste der Entwicklung aus der Zeit, als unsere Vorfahren mehrere Nachkommen gleichzeitig säugen konnten.
00:05:25: Also diese Milchleisten.
00:05:27: Dann haben wir über die beharte Gesichtshaut auch gesprochen, weil diese Hypertrichose, ne?
00:05:31: Ja, genau, auch Wehrwolfsyndrom genannt.
00:05:34: Tatsächlich.
00:05:35: Es ist extrem selten, aber spektakulär, wenn man es dann halt sieht, ne?
00:05:39: Dann gibt es ja auch, habe ich mal gehört, in unserer Verwandtschaft.
00:05:43: Bei den Säugetier, es gibt Wale mit Hinterbeinen.
00:05:47: Genau.
00:05:48: Das ist Wahnsinn.
00:05:49: Ja,
00:05:50: fossile und lebende Funde zeigen das ja.
00:05:52: Also das Gelegentlich Reste von Beinenknochen bei Wahlen.
00:05:55: Da waren, also die von landlebenden Vorfahren dann abstammen.
00:05:59: Das ist auch ganz interessant.
00:06:01: Crazy.
00:06:01: Und dann das Thema.
00:06:02: Weisheitsszenen.
00:06:04: Ja, also die waren ja ursprünglich für das Zerklein eine harte Nahrung nötig und heute passen die ganz häufig einfach nicht mehr in den menschlichen Kiefer und sind quasi evolutionäre Überreste, die dann auch entfernt werden müssen.
00:06:17: Chirurgisch.
00:06:18: Zumal ja harte Nahrung auch nicht mehr so häufig vorkommt.
00:06:21: Dann kann die Lebensmittelindustrie.
00:06:24: Wir hatten die Wehrwölfe, jetzt haben wir auch noch ein anderes Phänomen.
00:06:27: Hexenszenen.
00:06:28: Ja.
00:06:29: Was ist das?
00:06:30: Das ist ja ein zusätzlicher Schneidezahn, häufig oben zwischen den Vorderzähnen, der als sogenannte atavistische Variante gilt und auf eine frühere Zahnstruktur zurückgeht.
00:06:41: Da war das eher anders angeordnet.
00:06:44: Dass man dann wirklich das Fleisch irgendwo rausreißen konnte, wahrscheinlich auch, obwohl es keine Reisszähne sind, aber die Schneidezähne hatten wahrscheinlich noch einen anderen Job, oder waren so Ersatzzähne, falls einer rausbricht.
00:06:57: Dann vielleicht ein Phänomen, was wir kennen, Gänsehaut.
00:07:01: Also unsere Körperbehaarung richtet sich bei Kälte oder Angst auf.
00:07:05: Das ist auch ein Überbleibster aus der Zeit, als wir durch sträubendes Fell größere und furchterigend erscheinen konnten.
00:07:14: Und ja, ist noch so ein Überbeleibsel.
00:07:16: Dann gibt es, glaube ich, einen Muskel im Unterarm, der fehlt bei etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Menschheit.
00:07:22: Das ist der sogenannte, wenn ich auch mal was sagen darf, der Palmaris Longus.
00:07:27: Das ist ein Muskel, den die Primaten, also unsere Verwandten aus der... Familie der Affen immer noch brauchen, weil er nämlich zum Klettern dient.
00:07:38: Genau, das Muskel im Unterarm und Hand, da bei etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Menschen fehlt.
00:07:46: Oh, jetzt kommt was, was uns beiden sehr interessieren könnte.
00:07:49: Beharte Ohren bei älteren Männern.
00:07:51: Das ist ja nicht nur ein Altersphänomen.
00:07:53: In manchen Kulturen werden ja stark beharte Ohrmuscheln als Amatavismus auch interpretiert.
00:07:59: Wir
00:07:59: können gar nichts dafür.
00:08:01: Wo wir schon bei den Ohren sind, Und einem der, also dem Experten für Evolution, dem Erfinder oder Entdecker, Darwin.
00:08:12: Klingelt da was bei dir?
00:08:13: Im Zusammenhang mit Ohren?
00:08:14: Ja, der sogenannte Darwin-Höcker, das ist eine kleine Wölbung an der Ohrmuschel, die als evolutionäres Überbleibsel gilt und bei einigen Menschen viel ausgeprägter auch sichtbar ist.
00:08:25: Hast du das?
00:08:26: Nee.
00:08:27: Schau ich mir beim nächsten Mal an.
00:08:29: Es gibt ja auch tatsächlich, das war nicht total abgefahren, da haben mal wieder so Kollegen aus Jux und Dollerei ein bisschen rumgeforscht, Hühnchen mit Zähnen.
00:08:42: Hast du davon gehört?
00:08:44: Ja.
00:08:44: Erzähl mal.
00:08:45: Also Wissenschaftler haben durch die genetische Manipulation von Hühnerembryon, also haben Hühnerembryon damit Zahnansätzen erzeugt.
00:08:55: Warum?
00:08:56: Weil es geht.
00:08:57: Weil
00:08:57: das Gehen dafür noch existiert, es aber normalerweise abgeschaltet ist.
00:09:02: Das ist halt total interessant.
00:09:04: Das
00:09:04: ist dann wahrscheinlich dieser Saurier Link.
00:09:06: Stell dir
00:09:06: mal vor, der hätte es dann eine Hütche bezähnen.
00:09:08: Aber die haben ja eh dieses Saurier Hafte.
00:09:11: Da gab es auch mal, wenn du so einen Huhn hoch hältst und wie das geht, wie sich die Beine bewegen, das ist wie Jurassic Park.
00:09:19: Man sagt ja auch, dass Vögel sind ja tatsächlich die Ich glaube, die direktesten Nachkommen noch lebende von Dienungs.
00:09:29: Jetzt kommen wir nochmal ganz kurz zu den gesellschaftlichen und kulturellen Perspektiven.
00:09:34: Wir haben ja gerade schon mal von Wehrwölfen gesprochen.
00:09:38: Also in der Popkultur werden Atavismen ja oft mystifiziert.
00:09:43: Da gibt es auch die sogenannten Rückentiermenschen.
00:09:47: Und natürlich auch wie in allen anderen Bereichen, leider Gottes wird ja immer mehr, gibt es natürlich auch die eine oder andere Verschwörungstheorie in Überrückschläge in der menschlichen Entwicklung, warum es dazu kommt, ob das von irgendwem gesteuert wird oder nicht, kann sich jeder seinen eigenen Reihen drauf machen.
00:10:02: Aber ich glaube, in vielen alten Kulturen wurden Attabismen ja auch tatsächlich als Zeichen göttlicher Macht oder auch eines Fluchs interpretiert, richtig?
00:10:13: Also... Thema Babys mit Schwanz oder extra Gliedmaßen.
00:10:17: Also das wurde vererrt oder ausgestoßen.
00:10:21: Also es gab ja beide Richtungen.
00:10:22: Weil man dachte, die sind irgendwie verhext oder so wahrscheinlich.
00:10:26: Das war ein Jackpot für die Inquisition solche Menschen.
00:10:30: Furchtbar.
00:10:31: Ich denke jetzt aber auch einfach nochmal an so Geschichten aus der Mythologie, also auch der griechische.
00:10:35: Das ist ja dein Top-Thema.
00:10:36: Ja
00:10:37: genau, Mythologie, da ist sie wieder endlich ein Comeback.
00:10:40: der Minotaurus, der Centaurin, die halt so Tiermenschen, also die ja eigentlich Chimären sind, also aus Menschen und Tierbestandteilen zusammengesetzt.
00:10:54: Die könnten ja auch als sowas wie eine kollektive kulturelle Verarbeitung solcher Phänomene dieser urzeitlichen Rückfälle gelesen werden, wenn man das möchte.
00:11:03: Ist auf jeden Fall spannend.
00:11:06: Aber sag mal noch jetzt mal abschließend eine kleine wissenschaftliche Einordnungen an alle Leute, die glauben, dass wir vom Himmel gesandt sind und die Erde eine Scheibe ist.
00:11:17: Wie ordnest du dir diese Atavismen
00:11:19: ein?
00:11:20: Also, Atavismen bestärken ja die Theorie der gemeinsamen Abstammung.
00:11:24: Also, warum sollte ein Mensch einen Schwanz entwickeln, wenn nicht, weil unsere Vorfahren einhatten?
00:11:31: Und sie werden ja auch in der Entwicklungsbiologie und Genetik untersucht, weil sie Einblicke in die Steuerung von Genen geben.
00:11:37: Also da ist es halt super interessant auch zu sehen, wie sich was ableiten lässt dann auch.
00:11:43: Ja klar, also warum gewachsen bei einem Menschen unfassbar viele Haare, warum... bei anderen gar nicht.
00:11:50: Oder man kann sicherlich auch Rückschüsse ziehen, wenn man jetzt zum Beispiel ein Hausfall denkt, vielleicht sogar, wenn man dieses Gen identifizieren kann, könnte das ja genau in solchen Fällen auf einen spannenden Zugang zum Thema eröffnen.
00:12:05: Ich glaube, das Thema Attavismen ist Ob es harmlos ist, kurios in der Ausprägung oder manchmal verstörend.
00:12:11: Also, Atavismen erinnern uns eigentlich daran, dass unsere Gene mehr Vergangenheit in sich tragen, als uns bewusst ist.
00:12:18: Also Menschheitsgeschichte sich auch immer in uns als Individuen spiegelt.
00:12:25: Und vielleicht, bei meinem Meer, beim anderen weniger, sind wir alle ein bisschen steilenzeitlicher als wir denken.
00:12:34: Ja,
00:12:34: das stimmt.
00:12:35: Gut, mein Lieber.
00:12:36: Wir sind natürlich unfassbar modern, auch wenn wir Haare auf den Ohren haben.
00:12:40: Und ich wünsche dir jetzt einen fantastischen Tag.
00:12:45: Kletter noch auf ein paar Bäume.
00:12:47: Schauen wir, ob der Muskel noch da ist.
00:12:49: Und ich freue mich auf unser nächstes Treffen.
00:12:51: Ja, ich mich auch.
00:12:52: Pass auf dich auf.
00:12:53: Du auch und bis zum nächsten Mal.
00:12:56: Fall nicht zurück in der Evolution.
00:12:59: Tschüss.
00:12:59: Tschau.
00:13:03: in Zusammenarbeit mit Takeda.